Das 9. Internationale Schopenhauer-Kolloquium in Curitiba


11. Dezember 2025 

Von Thomas Regehly

Das diesjährige, insgesamt viertägige 9. Internationale Schopenhauer-Kolloquium in Brasilien fand von 6.10. bis zum 10.10.2025 in Curitiba (Paraná/Brasilien) statt. Veranstalter waren eine Reihe von brasilianischen Universitäten, an denen in den Vorjahren diese Konferenz organisiert wurde. Es war ein Jubiläum ganz besonderer Art. Die Reihe wurde 2005 ins Leben gerufen, was bedeutet: Die mit schönster Regelmäßigkeit stattfindenden Tagungen konnten über 20 Jahre hinweg allen Schwierigkeiten und Unkenrufen zum Trotz in vorbildlicher Weise organisiert werden.



Diese Kontinuität ist außerordentlich bemerkenswert. In anderen Ländern, vielleicht Italien mit der Universita di Salento in Lecce ausgenommen, gibt es eine derartige erfolgreiche, gut besuchte und anregende Reihe über so viele Jahre hinweg nicht.


Ort der Tagung war der Campus der Universität mit dem Namen Pontifícia Universidade Católica do Paraná (PUC) in Curitiba, und zwar das Auditório Carlos Costa. An der Organisation und Ausrichtung waren die folgenden brasilianischen Universitäten beteiligt: PUC–PR (Pontifícia Universidade Católica do Paraná/PR [Curitiba]), UNICAMP (Staatliche Universität Campinas), UFRN (Bundesuniversität von Rio Grande do Norte/RN), UFABC (Bundesuniversität von Santo André; São Bernardo; São Caetano/SP), UFAC (Bundesuniversität von Acre/AC), UFSCar (Bundesuniversität von São Carlos/SP). Die Schopenhauer-Gesellschaft e.V. wurde als Mitveranstalter aufgeführt. Insgesamt 30 Vorträge in fünf verschiedenen Sprachen fanden statt, dazu kommt eine Buchvorstellung mehrerer Neuerscheinungen aus den Reihen der brasilianischen Sektion und die Präsentation eines Jubiläums-Bandes des Publikationsorgans VOLUNTAS. Ebenfalls an drei Tagen angeboten wurde eine Lektüre-Reihe zu Nietzsches dritter "Unzeitgemäßer Betrachtung" von 1874 über Schopenhauer.


6.10.2025


Die Eröffnung begann mit Samba-Musik zu Texten Schopenhauers, es folgten offizielle Grußworte von Vertretern der Universität (Rektorat und Fachbereich).

Nach der Begrüßung hielt der Präsident der Schopenhauer-Gesellschaft, Prof. Matthias Koßler, den Eröffnungsvortrag. Das Thema war Schopenhauer und die deutsche Romantik. In der anschließenden Diskussion wurde auf die Ausstellung zum Thema ab Juni 2026 nebst anschließender Tagung der Schopenhauer-Gesellschaft im September 2026 im Freien Deutschen Hochstift hingewiesen – alle Interessierten seien herzlich willkommen.

An dem lebhaften Gespräch beteiligte sich auch Frau Prof. Maria Lucia Cacciola, die leider nicht persönlich teilnehmen konnte, aber über das Internet zugeschaltet war. Nicht zuletzt ihr, einer international renommierten Forscherin, ist diese beeindruckende Veranstaltungsreihe zu verdanken. Sie begrüßte die Anwesenden überaus charmant und wünschte allen Anwesenden ein gutes Gelingen der Tagung.


7.10.2025


Die Konferenz bot jeden Mittag einen gemeinsamen Lektürekurs an, der unter dem Titel "Um mestre para ser seguido: Sobre a relação Nietzsche – Schopenhauer" von den Professoren Antonio Edmilson Paschoal (UFPR), Jelson Oliveira (PUC–PR) e Clademir Araldi (UFPel) veranstaltet wurde. Der erste Teil der Konferenz selbst begann mit dem anregenden Vortrag von Flamarion Caldeira Ramos (UFABC), der über Hegels und Schopenhauers gemeinsames Interesse an einer Vernunft sprach, die über den Verstand hinausgeht  (Hegel e Schopenhauer: para além da razão como entendimento), gefolgt von Bruno Machado (UFS), der über die  nicht ganz einfache „Charakter-Chemie“ zwischen Schopenhauer und Nietzsche referierte (A "química do caráter" entre Schopenhauer e Nietzsche). Federico Ferraguto (PUC–PR) befaßte sich mit Schopenhauer im Kontext der Fichte-Schule und der Fichteaner (Schopenhauer na escola de Fichte), während sich Jefferson Silveira Teodoro (PUC-Rio) dem Einfluß des Göttinger Lehrers G. Schulze auf den jungen Studenten widmete, von dem der damalige Medizinstudent ja zur Philosophie „erweckt“ worden sei (A influência de Schulze na crítica de Schopenhauer à filosofia kantiana). Der sogenannte „Aenesidemus“ Schulze machte auch den jungen Mann auf die Bedeutung Platons und Kant aufmerksam.

Fortgesetzt wurde der erste Konferenztag im zweiten Teil mit einem Vortrag von Jair Barboza (UFSC), der – wie andere auch – regelmäßig in Deutschland gewesen ist, um seine Forschungen dort an der Schopenhauer-Forschungsstelle, dem Schopenhauer-Archiv und anderen Universitäten weiterzuführen. Er gab ein Votum ab für ein Zurück zu Schopenhauers praktischer Philosophie, und zwar in einem umfassenden Sinne (De volta à filosofia prática de Schopenhauer). Über das Internet zugeschaltet referierte Dax Moraes (UFRN), der sich mit dem Wechselverhältnis von Idealismus und Realismus in der ersten Auflage der "Welt als Wille und Vorstellung" beschäftigte (Idealismo e realismo na primeira edição de O mundo com vontade e representação). Den Abschluß des ersten Konferenztages machte Eduardo Brandão (USP) mit seinem Vortrag über den Primat der „praktischen Vernunft in der nachkantischen Philosophie" (Schopenhauer e o primado do prático na filosofia pós–kantiana).

Der erste Tag klang angenehm aus in einer Bar im sehenswerten historischen Zentrum Curitibas, die als Bar Alemao (Deutsche Bar) die deutschen Gäste und die brasilianischen Freunde mit einer erstaunlichen Auswahl von Speisen und Getränken – nebst Bieren – sowie deutscher Musik eher volkstümlicher Art erfreute.


8.10.2025


Gegen Mittag fand die Fortsetzung der gemeinsamen Lektüre von Nietzsches berühmtem Schopenhauer-Aufsatz, über "Schopenhauer als Erzieher" statt.

Der dritte Teil der Konferenz begann mit dem furiosen Auftakt von Jarlee Salviano (UFBA), der Schopenhauers Lehre in eine produktive Beziehung setzte zu dem Indigenen-Häuptling Ailton Krenak und dessen Aussagen über den Zusammenhalt der Welt (Schopenhauer e Krenak: de volta à Terra). Krenak ist ein brasilianischer Schriftsteller und indigener Aktivist des Volkes der Krenak. Von ihm stammt der Satz: „Wir Indigenen haben 500 Jahre Gewalt und Kolonialisierung überlebt, aber die Weißen zerstören sich selbst.“ Es folgte der Vortrag von Diana Chao Decock (PUC–PR) über die Bedeutung von Wahn und Illusionen bei Schopenhauer, die dafür sorgen, daß menschliches Glück nur negativ bestimmt werden kann (Delírio (Wahn) e Ilusão (Illusion): a (im)possibilidade da felicidade sob o Véu de Māyā em Schopenhauer). Leandro Chevitarese (UFRRJ) untersuchte ingeniös, inwiefern Schopenhauers Eudämonologie einen impliziten Beitrag zur Digitalisierung des modernen Lebens leisten könne. (Contribuições da eudemonologia de Schopenhauer no cenário da digitalização da vida na contemporaneidade). Mit der wichtigsten Kunst überhaupt, der Musik, die für die Romantiker wie für Schopenhauer eine Sonderrolle spielte, befaßte sich Luan Corrêa da Silva (UFSC). Sein gehaltvoller Vortrag erstreckte sich von der Ablehnung der Musik Wagners, die in Frankfurt a.M. ja in Konzerten zu hören war, über die starke Neigung zu Mozart und Rossini bis hin zu den ästhetischen und musikalischen Gründen für die außerordentliche Hochschätzung Beethovens (Os músicos de Schopenhauer).

Fortgesetzt wurde der 2. Kongreßtag im vierten Teil mit dem auf Französisch gehaltenen Vortrag von Ugo Batini (Université de Poitiers), der über das Internet zugeschaltet war. Er rekonstruierte auf sehr instruktive Weise die naturwissenschaftliche Bildungsgeschichte Schopenhauers, die von Blumenbach über die Schelling-Schüler zu dem eigenen System der Metaphysik geführt hatte. Ausgehend von Übersetzungsschwierigkeiten des Ausdrucks „Welt“ gelangte er zum Systemgedanken der Lehre (Les difficultés de traduction du « Monde » en langue française). Auch der italienische Schopenhauer- und Horkheimer-Kenner Davide Ruggieri (UNIPD) war aus Padua online zu geschaltet. Er befaßte sich mit der Schopenhauerschen Linken, die vor allem durch Horkheimer einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat, für den Schopenhauer nicht ohne Marx und dieser nicht ohne Schopenhauer zu verstehen war. Sein Versuch, einen „humanistischen Pessimismus“ als das Gemeinsame in der Perspektive einer philosophia della redemzione herauszuarbeiten, wirkte überzeugend. Vilmar Debona (UFSC) konnte direkt daran anknüpfen. Zum einen sprach er von dem starken brasilianischen Akzent auf der „Schopenhauersche Linken“, der Ludger Lütkehaus gemeinsam mit Hand Ebeling einen eigenen Band gewidmet hat (Schopenhauer und Marx 1980), zum anderen stellte er aber wie bereits Rahel Jaeggi ein „Schopenhauer-Defizit“ in der Kritischen Theorie fest, was vermutlich mit dem an Sohn-Rethel geschulten Hegelmarxismus Adornos zu tun hatte. (Il concetto di umanità in Schopenhauer. Pessimismo crítico, progresso e regressão social: Rahel Jaeggi e o déficit schopenhaueriano da Teoria Crítica). Seine einleuchtende Devise lautete: „Zurück zu Horkheimer, aber mit Schopenhauer!“ Vilmar Debona hatte im letzten Jahr neben der Forschungsstelle in Mainz auch dem Schopenhauer-Jour Fixe und dem Frankfurter Horkheimer-Archiv einen Besuch abgestattet, war also mit den Frankfurter Verhältnissen bestens vertraut.

Den Abschluß des 2. Tages bildete ein instruktiver Vortrag über den Begriff der Phantasie bei Schopenhauer, den Ana Carolina Soliva Soria (UFSCar) hielt. Die kritische Haltung der Dissertation (§ 58) wird später zugunsten einer großen Wertschätzung dieser zentralen menschlichen Fähigkeit korrigiert, wie es das 34. Kapitel des 2. Bandes der "Welt als Wille und Vorstellung" zum Ausdruck bringt. Phantasie wird dabei nicht mehr romantisch verstanden, sondern erscheint für den Aufklärer Schopenhauer als ein wesentlicher Aspekt der Mündigkeit des Menschen (Considerações preliminares sobre o conceito de fantasia em Schopenhauer).

Der Tag fand einen überaus anregenden Ausklang mit einer Buchvorstellung (Lançamento de livros) in der Bar Baroneza (R. Conselheiro Carrão, 279 / Esquina com R. 7 de Abril – Juvevê, Curitiba) um 21.00 Uhr. Es wurden bemerkenswerte neue Bücher der Teilnehmer zu Schopenhauer und zu Schopenhauer-Themen präsentiert, unter anderem auch einige Bände mit Übersetzungen der Vorlesungen Schopenhauers ins brasilianische Portugiesisch, die wir vor allem Jair Barboza verdanken. (Vilmar Debona, A Vontade dos Porcos-Espinhos. Estudos a partir de Schopenhauer, Sao Paulo 2025; Eduardo Ribeiro da Fonseca, Leituras de Schopenhauer. Entre a Filosophia a Arte e a Psicanálise, Curitiba 2025; Arthur Schopenhauer, Metafisica do Belo, Traducao, Apresentacao e Notas Jair Barboza, Sao Pailo 2003; Oswaldo Giacoia Junior, Perspectivismo e Interculturalidade, Sao Paulo 2025 et alii.) Da die Vorlesungen seit ihrer Erstveröffentlichung durch Franz Mockrauer 1913 ein Schattendasein führen müssen und ihre Bedeutung immer wieder falsch eingeschätzt wird, ist diese Initiative nicht hoch genug zu würdigen. Es wäre sehr zu wünschen, daß weitere Übersetzungen auf Grundlage der neuen Edition von Daniel Schubbe bei Felix Meiner zur Grundlage von Übersetzungen in die „indogermanischen Dialekte“, wie Schopenhauer sagte, sowie anderer Weltsprachen und damit endlich Gegenstand einer internationalen Rezeption werden können.


9.10.2025


Mittags fand die Fortsetzung der gemeinsamen Lektüre von Nietzsches berühmtem Schopenhauer-Aufsatz "Schopenhauer als Erzieher" statt.

Zu Beginn des fünften Teils der Konferenz sprach Eli Vagner Francisco Rodrigues (UNESP) über Reue und Gewissen in Schopenhauers Metaphysik der Sitten, wobei er zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen eine schottische Ballade wählte. Schopenhauers Lehre und ihr Verhältnis zu Max Horkheimers Kritik der instrumentellen Vernunft (Schopenhauer e o Eclipse da Razão) wurden von Felipe dos Santos Durante (UFAC) behandelt. Selma Bassoli befaßte sich mit der Rolle von Gerichtsurteilen im Kontext der Verneinung des Willens (Os juízos judicativos na negação da vontade).

Der sechste Teil wurde mit einem interessanten Vortrag von José Thomaz Brum (PUC-Rio) eröffnet, welcher der Schopenhauer-Rezeption in Südamerika gewidmet war. Er machte die These plausibel, daß José Luis Borges von Macedonio Hernandez, einem Freund von Borges' Vater, mit Schopenhauer vertraut gemacht worden sei. Das „Traumhafte des Lebens“, von dem Schopenhauer gleich zu Beginn des 1. Buches in der 1. Auflage des Hauptwerks eindrucksvoll spricht, habe ihn sehr beeindruckt (Schopenhauer nos escritos metafísicos de Macedonio Fernández). Er betonte die Originalität und Eigenständigkeit der südamerikanischen Rezeption, die sich von der zentraleuropäischen durchaus unterscheiden lasse: „Wir sind hier nicht im Schwarz-wald!“

Eduardo Ribeiro da Fonseca (PUCPR), der Koordinator der ANPOF-Arbeitsgruppe Schopenhauer, Mitorganisator des Kolloquiums und charmanter Gastgeber, sprach eindringlich über den Begriff der Degeneration bei Schopenhauer und Kant (Schopenhauer e Kant: sobre a noção de degeneração).

Der Abend klang aus mit einer kleinen Feier anläßlich des 15. Jubiläums der Internet-Zeitschrift "Voluntas" (Mesa comemorativa pelos 15 anos da Revista Voluntas 2010-2025), die von der brasilianischen Sektion der Schopenhauer-Gesellschaft digital herausgegeben wird. Aus diesem Anlaß wurde eine Sondernummer (Ediçao commemorativa) als Buch publiziert, die zahlreiche Beiträge der vergangenen Konferenzen enthält. Da die Beiträge ansonsten auf der Startseite veröffentlicht werden, war dies etwas ganz Besonderes, und die Freude der anwesendenden Gäste, einen Band in ihren Händen halten zu können, war groß. Anschließend trafen sich die Teilnehmer in dem ungewöhnlichen, aber sehr sympathischen Lokal "Bar Otelo" zu weiterem erfreulichem Austausch.


10.10.2025


Der siebte Teil der Konferenz begann bereits am frühen Morgen. Jesús Carloz Hernandez Moreno (UNAM, México), auch er ein gern gesehener Teilnehmer des Frankfurter Schopenhauer-Jour Fixe, befaßte sich mit dem Verhältnis der Schopenhauer-Schule zum Pessimismus (La Escuela de Schopenhauer y el pesimismo).

Es folgte ein Vortrag über Schopenhauer als „Eudämonisten wider Willen“, wie er geistreich genannt wurde (Schopenhauer, eudemonista a pesar de sí), auf Spanisch präsentiert von Luciana Samamé (Universidad Nacional del Litoral, Argentina).

Den achten Teil eröffnete Domenico Fazio (UniSalento, Itália) mit einem online gehaltenen Vortrag über eine These Frederick C. Beisers, der den „Erzapostel“ Schopenhauers, Julius Frauenstädt, in seinem breit rezipierten Buch Weltschmerz als „verkappten Hegelianer“ bezeichnet hatte. Er zeigte anhand der Schriften Frauenstädts auf, daß diese These nicht ganz überzeugen könne. Auch der nächste Redner, Fabio Ciracì (UniSalento, Itália), sprach online. Er stellte Überlegungen über den national getönten Sozialismus des Offenbacher Dichterphilosophen Philipp Mainländer vor (Riflessioni sul socialismo nazionale di Philipp Mainländer). Die Begeisterung für den Gralsmythos, der auf einen eschatologischen Sozialismus hin tendiere, stehe in starkem Kontrast zur Berücksichtigung der sozialen Frage, was auch zur Kontaktaufnahme mit August Bebel geführt habe.

Der in deutscher Sprache gehaltene Vortrag von Thomas Regehly (University of Frankfurt a.M., Alemanha) mit dem Titel "Selbsterkenntnis bei Schelling, Schopenhauer und Jacob Böhme" ging aus von einer Erläuterung des zentralen Ausdrucks der „Selbsterkenntnis“, mit dem Schopenhauer bereits 1817 seine Lehre zusammengefaßt hatte. Dieser Begriff läßt sich nicht nur zu Schellings Gedanken einer „Selbstoffenbarung Gottes“ in eine stringente Beziehung setzen, sondern als gemeinsamer philosophischer Hintergrund können die Schriften Jacob Böhmes angeführt werden, der in seiner Schrift über die "Drei Prinzipien" ausdrücklich die Bedeutung der Selbsterkenntnis für die „unerleuchtete Vernunft“ eines jeden Menschen gefordert hatte. In der Diskussion wurde das Verhältnis Schopenhauers zur Sprache und sein Begriffsinstrumentalismus als bedeutendster Unterschied zur Sprachphilosophie Schellings und Jacob Böhmes Natursprache hervorgehoben, die u.a. stark auf Walter Benjamin gewirkt habe.

Den neunten und letzten Teil der Konferenz eröffnete der Vortrag von Guilherme Marconi Germer (UEM), der sich mit Baltasar Gracian als einem Vorläufer der Schopenhauerschen Lebensweisheit beschäftigte (As raízes do pessimismo moral de Schopenhauer em Oráculo manual y arte de prudencia, de Baltasar Gracián). Márcio Benchimol Barros (Unesp) untersuchte danach die schwer aufspürbare Funktion Schopenhauers in der "Dialektik der Aufklärung" Adornos und Horkheimers (O filósofo de Frankfurt). Die Perspektive einer möglichen Destruktion des bürgerlichen Subjekts sei aber ebenso als eine Parallele anzusehen wie die Hoffnung auf eine mögliche Versöhnung mit der Natur. Wie es in Schopenhauers Kontrafaktur des Sonetts von A. W. Schlegel heißt: „Wenn alles bricht so bleibt uns nur / Rückkehr zum Ursprung der Natur.“

Christopher Janaway (University of Southampton, UK) befaßte sich online mit dem aktuellen Buch von D. Benatar (2006), das Schopenhauer für den „Anti-Natalismus“ zu vereinnahmen suchte (Schopenhauer and Anti–Natalism). In einer sehr konzisen Weise zeigte er auf, daß diese Etikettierung nicht angemessen sei.

Den letzten Vortrag hielt der exzellente Nietzsche-Kenner und Schopenhauer-Freund Oswaldo Giacoia Jr. (PUC–PR/UNICAMP), Professor des Postgraduierten-Programms an der Universität Curitiba, der im Hintergrund Wesentliches zum Zustandekommen und Gelingen der Tagung beigetragen hatte. Er sprach über Schopenhauer und die Abgründe der Freiheit (Schopenhauer e os abismos da liberdade). Seiner Darstellung nach behalten die „Ahndungen“ Schopenhauers über die Freiheit stets etwas Abgründiges, da Freiheit eben nicht rational zu erklären sei. Das betreffe auch den Begriff der „transzendentalen Freiheit“ am Ende der Schrift über die Freiheit des Willens.

Die großangelegte und im hohen Maße anregende Konferenz schloß mit einem Schlußwort und dem Dank von Eduardo Ribeiro da Fonseca (PUCPR) an alle Beteiligten, sowohl an die Referentinnen und Referenten wie auch an die für die vorbildliche Organisation verantwortlichen Mitarbeiter der Universität in Curitiba. |

 


Dr. Thomas Regehly ist Archivar der Schopenhauer-Gesellschaft und Leiter der Ortsvereinigung Frankfurt am Main.

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